Vom Blei zu Gold, vom Hühnerei zur güldnen Eierspeis – „transmutatio delectans“ in der einen wie der anderen Küche!

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Manchmal sind Funde einfach heiß! Im wahrsten Sinn des Wortes heiß genug, um sich die Finger zu verbrennen. Derzeit sitzen wir gerade an einer Schnellsichtung eines alten Materials. Sichten, Umnummerieren, Umpacken – an sich nicht so prickelnd. Aber das Material hat es in sich. In den mittleren 90er Jahren am Judenplatz aus dem Boden geholt, als man das Shoah Mahnmahl baute, findet sich hier so einiges aus dem hoch- und spätmittelalterlichen Wien. Die Hasenöhrchen haben Ihnen ja schon die Osterfeiertage versüßt.
Diesmal fielen uns zwei Stücke in die Hände, die unterschiedlicher kaum sein können. Das eine, zylindrisch, massiv, etwas plump, aus Graphitkeramik, das andere feiner im Zuschnitt, von schwierig zu beschreibender Form, geringer Wandstärke und glasiert. Und doch teilen sie sich eine starke Affinität zum Feuer. Wohl handelt es sich in dem einen Fall ums Kochfeuer, in dem anderen Fall – Sie werden sehen!

Ein Pfannengriff zum Morden schwer

Pfannengriffe aus Graphitkeramik sind an sich keine Seltenheit. Es handelt sich dabei um massive Tüllen, die meist zu noch massiveren Pfannen gehörten und nach dem Gesetz der Sollbruchstelle meist recht getrennt vom Pfannenrest irgendwo in einer Schicht landen. In diese Tüllen schob man den eigentlichen hölzernen Pfannengriff. In manchen Fällen dürfte das ganze Objekt dann so groß und unhandlich gewesen sein, dass man es wohl kaum noch verläßlich heben konnte, sondern bestenfalls in der Feuerstelle schwenken.
Frühe Vertreter dieses Küchenutensils gab es schon im 11. Jahrhundert, da sind die Tüllen und folglich auch die Holzgriffe deutlich viereckig. Später, soll heißen im 12. Jahrhundert, werden sie ovaler bzw. runder. Wichtig: es handelt sich immer um eine Tülle, für eben jenen Holzstiel gemacht.

Pfannenfragment aus dem 11./12. Jahrhundert vom Wildpretmarkt (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Nikos Piperakis)
Bruchstück eines Pfannengriffs, gefunden am Judenplatz (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Bei dem vorliegenden Fundstück haben wir es nun mit einem etwas alternativ arbeitenden Töpfer zu tun. Der Griff ist rund – wir dürften also eher im 12. Jahrhundert zu Hause sein – und er ist nicht hohl. Tatsächlich ist der ganze Griff, soweit vorhanden, massiv und schwer gearbeitet, Trocknungseinstiche scheinen dazu gedient haben, das Ding trotz seiner Massivität durch den Herstellungsprozess im Töpferofen zu bringen.
Was in dem Riesending zubereitet wurde? Vermutlich nicht die Eingangs erwähnte Eierspeise. Die Frage ist vielleicht auch eher für wie viele Personen diese Pfanne gedacht gewesen sein mag, denn im normalen Haushaltsgeschirr-Repertoire sind diese Dinger durchaus mit manierlicher Größe gesegnet. Eine Großfamilie also? Oder eine Ausspeisung irgendeiner Art? Auf jeden Fall ein experimentierfreudiger Töpfer!

Alchemistenalarm?

Manche Fundstücke machen es einem auf den ersten Blick nicht leicht. Was haben wir hier? Eine Rille, einen Ausguss der daran ansetzt? Wenn es sehr obskur wird, ist man schnell mit der Erklärung „technische Keramik“ oder noch besser „alchimistisches Zubehör“ zur Stelle. Aber stimmt das hier? Bei dem vorliegenden Fund handelt es sich tatsächlich um einen der wenigen Fälle eines keramischen Destillierhelms oder Alembik. Selten schon deswegen, weil ein Alembik vorzüglich aus Glas oder auch Metall gefertigt wurde. Keramische Beispiele sind nur ganz wenige erhalten. Nichtsdestotrotz findet sich unser alchemistischer Freund hier bereits auf einer Darstellung von Laborzubehör aus dem 14. Jahrhundert wieder. Was hat man nun mit unserem Alembik destilliert? Ohne Rückstandsanalysen ist das nicht festzustellen, aber ich kann ihnen trotzdem Hoffnung machen, dass es hier metallurgisch zur Sache ging. Offenbar wurden keramische Alembiken gerne beim Trennen von Metallen verwendet, also für die etwas gröberen und hitzeintensiveren Prozesse. (Mehr dazu finden Sie hier)

Fragment eines Destillierhelms, gefunden am Judenplatz (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Und nun der enttäuschende Teil: Den Stein der Weisen (Sie wissen schon: Blei zu Gold!) hatten wir nicht im Fundsackerl. Denn wenn dem so gewesen wäre, würde ich Ihnen diesen Blog entweder gar nicht mehr oder von meinem eignen hübschen Anwesen – vorzüglich irgendwo im Grünen in einer friedlichen Gegend – zukommen lassen und mich meines unerwarteten Goldreichtums in aller Stille erfreuen.