Was von der Metallborte übrig blieb …

Autorin: Christine Ranseder

… verrät uns leider nicht mehr, worauf sie einst befestigt war. Es handelt sich bei diesem seltenen Textilrest um einen Streufund,  der im Zuge einer Ausgrabung auf dem Areal eines ehemaligen Friedhofs am St.-Bartholomäus-Platz (Wien 17) aufgelesen werden konnte. Während der Belegung des Friedhofs wurden bei der Anlage jüngerer Gräber immer wieder ältere Bestattungen gestört und dabei  Knochen, Beigaben und Reste der Kleidung umgelagert, also aus ihrem Zusammenhang gerissen. Im Fall unseres Metallbortenfragments ging so die Information zur ursprünglichen Lage im Grab – und damit auch die Möglichkeit auf ein bestimmtes Kleidungsstück zu schließen – verloren. Spannend ist der Fund trotzdem. Doch was macht ihn so besonders?

Zum einen ist es das Material. Die Borte wurde aus Lahnfäden und schmalen Metallstreifen gewebt. Ein Lahnfaden besteht aus einem textilen Trägerfaden (der sog. Seele; Seide, Baumwolle, etc.) um den ein Metallstreifen (der sog. Lahn; Gold, Silber, Leonische Ware) gewickelt ist. Diesem Metallanteil ist es zu verdanken, dass sich das Bortenfragment überhaupt erhalten hat. Die Grünfärbung unseres Fundes weist auf einen hohen Kupfergehalt des Lahns hin. An einigen Stellen glänzt das Metall silbrig, der Lahn aus unedlem Metall war also möglicherweise ursprünglich versilbert.

Zum anderen ist es die Art des Gewebes. Die Kette der 3,4 cm breiten Borte besteht aus Lahnfäden und schmalen Metallstreifen im Rhythmus 3 Lahnfäden –  1 Metallstreifen – 3 Lahnfäden – 6 Metallstreifen – 3 Lahnfäden – 1 Metallstreifen – 3 Lahnfäden – 6 Metallstreifen – 3 Lahnfäden – 1 Metallstreifen – 3 Lahnfäden. Die Kettfäden wurden an beiden Enden der Borte verknotet. Die Metallstreifen der Kette können als Indikator für eine Datierung in das 17. Jahrhundert gewertet werden.

Als Schuss diente doppelt geführter Lahnfaden, der an den Kanten kleine Schlingen (Picots) bildet. Diese sind besonders an Borten des Barocks ein gezielt eingesetztes Gestaltungsmittel. Köperbindung und Panamabindung, eine Art Leinwandbindung mit mehrfach zusammengenommenen Kett- und Schussfäden, wechseln einander ab und bilden so ein attraktives Muster.

Vorder- und Rückseite des am St.-Bartholomäus-Platz (Wien 17) gefundenen Bortenfragments. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Detail des am St.-Bartholomäus-Platz (Wien 17) gefundenen Bortenfragments. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Modischer Zierrat für Frau und Mann

Borten aller Art erfreuten sich vor allem in der Mode des 16. und 17. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Sie halfen unter anderem die Kleidung zu versteifen, sodass Wams und Mieder am Leib faltenlos anlagen, während die Schöße steif abstanden, Ärmel, Hosen und Röcke hingegen Volumen erhielten. Darüber hinaus schmückten sie auch Schuhe, Kopfbedeckungen und liturgische Gewänder.

Lange Zeit waren kostbare Gewebe mit Mustern aus Gold- und Silberfäden sowie Edelmetallborten nur dem Fürsten- und Herrscherstand erlaubt. Kleiderordnungen untersagten ihre Verwendung sogar den anderen oberen Ständen. Das Leopoldinische Luxuspatent aus dem Jahr 1671 hatte schließlich nur noch die Angehörigen der in fünf Klassen geteilten geringeren Stände (Beamte, Hof-Bedienstete, Universitätsangehörige, Kaufleute, Bürger und Bauern) im Visier. Die Wirksamkeit von Kleiderordnungen, mit denen auch das Tragen von Schmuck geregelt wurde, lässt sich allerdings hinterfragen. Ein Trick der Modebewussten, um den begehrten Glanz  von Gold und Silber vorzutäuschen, war die Verwendung von Borten aus unedlem Metall. Solange Kupferborten neu, bzw. in gut gepflegtem Zustand waren, glänzten sie golden. Hatte man sie versilbert, konnte theoretisch auch das Verbot der Silberborten umgangen werden, da es sich ja überwiegend um unedles Metall handelte. Die gut erforschte Gesetzgebung der Stadt  Nürnberg zeigt, dass  die Obrigkeit bestrebt war, auch diesen Versuchen Kleidung kostbarer aussehen zu lassen, als sie wirklich war, einen Riegel vorzuschieben.

Wie restriktiv in Wien gegen die Liebe zu attraktiver Kleidung vorgegangen wurde, ist derzeit noch wenig erforscht. Dass im 17. Jahrhundert mit Metallborten geschmückte Kleidung auch von Angehörigen der niederen Stände getragen wurde, belegen Fragmente aus einem Frauengrab, das am St.-Bartholomäus-Platz freigelegt wurde. Die Borte zerbröselte leider bei der Bergung, die erhaltenen Reste entsprechen jedoch dem hier vorgestellten Fragment.

Bortenreste und Segmentgürtel in einem Frauengrab des ehemaligen Friedhofs am St.-Bartholomäus-Platz, Wien 17. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

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