Autorin: Christine Ranseder
Es mag sexistisch und politisch nicht korrekt sein: Der erste Blick auf ein Kachelfragment, das am St.-Bartholomäus-Platz (Wien 17) gefunden wurde, wandert auf den Busen der dargestellten Figur. Der – möglicherweise mit seinen Gedanken anderweitig weilende – Töpfer betonte diesen durch eine plastische Verzierung, die an in Rüschen gelegte Bänder erinnert. Oder soll es sich um das durch Einschnitte im Stoff des Oberteils gezogene Hemd handeln? Welches modische Detail dem Handwerker auch vorschwebte, das Bruchstück einer Blattkachel zeigt unzweifelhaft den Oberkörper einer Frau. Diese banale Feststellung ist im Zusammenhang mit der Datierung des Fragments nicht so abwegig. Tiefe rechteckige Ausschnitte und reich gefältelte Hemden waren in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts typisch für die Kleidung beider Geschlechter.
Aus der Wundertüte: Ein Fragment einer Ofenkachel weiterlesen