Aus der Wundertüte: Wiener Kaffeehauspfeifen

Autorin: Christine Ranseder

Heute polarisiert das Rauchen von Zigaretten die Gesellschaft, früher galt das „Du sollst nicht …!“ den Pfeifenrauchern. Als der Tabakkonsum hierzulande im 17. Jahrhundert begann, durfte noch jeder die Pflanze im eigenen Garten anbauen, um sich ein Pfeiflein zu stopfen. Doch kaum hatte die Bevölkerung Gefallen an dem neuen Genussmittel gefunden, setzen auch schon die Verbote ein. Um die Gesundheit scherte sich dabei allerdings niemand.

Dem Staat ging es in erster Linie darum, sich Schritt für Schritt alle Rechte am Tabakhandel, -anbau und -konsum als lukrative Einnahmequelle zu sichern. Bereits im Jahr 1701 errichtete Kaiser Leopold I. per Generalpatent das erste staatliche Tabakmonopol. Schließlich kam es 1784 durch das Tabakpatent von Joseph II. zur Gründung der Österreichischen Tabakregie.

Gleichzeitig erhob sich der moralische Zeigefinger. Das Faszinierende daran ist, dass die Obrigkeit, anders als heute, vor allem Anstoß am Rauchen im Freien fand. Es galt als ungehörig in der Stadt auf offener Straße zu rauchen, wie uns eine Kundmachung aus dem Jahr 1837 wissen lässt. Sie war nicht die erste ihrer Art sondern bringt nur in Erinnerung, was bereits 1789, 1801, 1806, 1824 und 1832 verordnet worden war.
„Demnach wird das Tabakrauchen auf den Gassen, Plätzen in der inneren Stadt, mit Einschluß der Stadtthore und Brücken, neuerdings und ausdrücklich untersagt.“
         (Kundmachung vom 11. Juli 1837. ÖNB Bildarchiv Sign. 141.212-B)

Es konnte also am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert – genauer gesagt bis zur Aufhebung des Rauchverbots 1852 – nur in Privaträumen und Lokalen hemmungslos eine Pfeife nach der anderen geraucht werden. Reiche Bürger richteten sich daher in ihren Wohnungen Rauchzimmer ein. Hier genossen der Hausherr und seine Freunde Pfeifen, später auch Zigarren. Die männliche Mehrheit traf sich im Kaffeehaus, sogar Rauchvereine wurden gegründet. Deren Zahl vervielfachte sich im 19. Jahrhundert, denn Pfeife zu rauchen war im bürgerlichen Zeitalter wieder „in“ und man genoss den Tabakrauch gerne in Gesellschaft Gleichgesinnter. Um unter sich zu bleiben, erklärte man(n) den Frauen, dass Rauchen für sie nicht schicklich sei.

Die Pfeife gehörte, wie die Zeitung, zum Service der Kaffeehäuser. Der am Zeitungstisch stehende Herr im blauen Rock hat eine Wiener Kaffeehauspfeife unter den Arm geklemmt, eine weitere lehnt am Hocker am rechten Bildrand. „Die Zeitungsliebhaberey“, Kupferstich von Andreas Geiger nach Johann Chr. Schoeller, 1837 (© Wien Museum, Inv.Nr. HMW 97.420/5)

Bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert gab es in einigen Wiener Kaffeehäusern eigene Zimmer für Raucher. Geschäftstüchtige Kaffeehausbesitzer boten ihren Gästen mit Tabak gestopfte Pfeifen als Service. Bezahlt wurde nur für den Tabak, die Benutzung der Pfeife war gratis. Womit wir bei der klassischen Wiener Kaffeehauspfeife des 19. Jahrhunderts angelangt wären. Ihr aus weiß brennendem Pfeifenton gefertigter, hoher schlanker Kopf mit sechs Facetten ist im Fundmaterial leicht zu erkennen. Im ornamentfreundlichen 19. Jahrhundert durfte natürlich auch die charmante Verzierung nicht fehlen. Zum Repertoire zählten geometrische Muster, filigrane Ranken, Blüten, Vasen und Figuren. Hergestellt wurden diese für den österreichisch-ungarischen Markt bestimmten Pfeifen in Werkstätten im südöstlich von Köln gelegenen Westerwald, Deutschland – bis weit ins 20. Jahrhundert.

Eine ramponierte Kaffeehauspfeife mit starken Nutzungsspuren aus dem Fundmaterial der Grabung in der Rasumofskygasse 29–31. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Ein Blick auf die abgebildete Pfeife bestätigt, dass auch in Bierhäusern Wiener Kaffeehauspfeifen zum Einsatz kamen. Bier soll ja geschmacklich angeblich besonders gut zur Pfeife passen. „Bierhausgast“, um 1840, kolorierter Stahlstich von C. Mahlknecht nach W. Böhm (© Wien Museum, Inv.Nr. HMW 31.740/2)

Die erstaunlich langen Pfeifenrohre waren zumeist aus Kirschen- oder Weichselholz. Um für deren Herstellung genügend geeignetes Holz zur Verfügung zu haben, wurden eigene Pflanzungen von Bäumen in der Nähe Wiens, im niederösterreichischen Theresienfeld, angelegt. Bleibt  nur zu hoffen, dass bei den Mietpfeifen die Mundstücke aus Horn nach Gebrauch ausgewechselt und gewaschen wurden …